Deutsche Einheit und neue Herausforderungen

Was passierte in den Jahren 1989 und 1990?
Wie haben die Menschen das erlebt?

Die Mauer steht für die deutsche Teilung und den Kalten Krieg. Menschen schlugen Mauerteile als Erinnerung aus der Mauer. Diese Menschen heißen „Mauerspechte“. Sie haben die Mauerstücke behalten oder verkauft. Foto um 1990. (akg-images / Lothar M. Peter)

EINHEIT INKLUSIV >> Modul 2 „Neue Herausforderungen“

Was passierte in den Jahren 1989 und 1990?
Wie haben die Menschen das erlebt?

Viele Menschen feierten die Deutsche Einheit.
Nach dem Mauerfall kümmerte sich die Politik um die wirtschaftliche und politische Einheit.
Auch ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter hofften, mehr Freiheiten zu bekommen.
Für einige Menschen änderte sich das Leben aber nicht zum Besten.
Sehr viele Unternehmen und Fabriken in der DDR schlossen nach wenigen Monaten.
Was bedeutete das für ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter in der DDR?
Was passierte mit ihnen in den Jahren 1989 und 1990?
Und wie wirkte sich die Wiedervereinigung auf Einwanderinnen und Einwanderer aus?
Die Menschen waren unsicher.

Deutschland vereint! – zurück in die Heimat!?

In Ost-Deutschland überstürzten sich nach dem Mauerfall die Ereignisse.
In kurzer Zeit gab es sehr viele Veränderungen.
Das wirtschaftliche System wurde von einer Planwirtschaft zu einer Sozialen Marktwirtschaft geändert.

Sehr viele Betriebe in Ost-Deutschland mussten schließen.
Viele Menschen dort verloren ihre Arbeit.
Oft verloren ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter als Erste ihre Arbeit.
Die DDR-Regierung verhandelte mit den Ländern, aus denen ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter kamen.
Aber wenn sie ihre Arbeit verloren haben, gab es für sie keine Unterstützung vom Staat.
Sie verloren auch ihren Platz im Wohnheim.
Und wer innerhalb einer Woche keine neue Arbeit fand, musste in das eigene Heimatland zurückkehren.
Ende 1990 hatte schon die große Mehrheit (70 Prozent) Ost-Deutschland verlassen.
Viele der ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter waren aus Vietnam.
Sie konnten kaum Deutsch sprechen.
Für sie war es nach dem Mauerfall ohne Unterstützung schwer.
Einige ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter gründeten Vereine.
Sie halfen sich gegenseitig, um in Deutschland bleiben zu können.

Planwirtschaft

Die SED führte in der DDR in den 1950er-Jahren die Planwirtschaft ein.
In einer Planwirtschaft gehören alle Unternehmen und Fabriken dem Staat.
Der Staat plant und legt genau fest, was und wie viel die Fabriken produzieren.

Soziale Marktwirtschaft

In der (Freien) Marktwirtschaft sind die Fabriken und Unternehmen privates Eigentum.
Fabriken und Unternehmen legen fest, was und wie viel sie produzieren.
Sie entscheiden, was sie verkaufen und wie viel es kostet.
Die Bundesrepublik führte nach dem 2.Weltkrieg die Soziale Marktwirtschaft ein.
Der Staat kann die Fabriken und Unternehmen nur einschränken.
Regeln und Gesetze sollen die Menschen schützen.
Das sind Gesetze wie: Schutz vor Kündigungen oder Mutterschutz.

Die Wirtschaft brach zusammen. Sehr viele Unternehmen und Betriebe in der DDR schlossen. Zum Beispiel das Stahl- und Walzwerk Maxhütte. Foto, Thüringen 1992.

Die Wirtschaft brach zusammen. Sehr viele Unternehmen und Betriebe in der DDR schlossen. Zum Beispiel das Stahl- und Walzwerk Maxhütte. Foto, Thüringen 1992. (imago images / fossiphoto)

Etwa 200 Vietnamesinnen und Vietnamesen demonstrierten in Erfurt am 28. November 1995. Sie möchten in Deutschland bleiben.

Etwa 200 Vietnamesinnen und Vietnamesen demonstrierten in Erfurt am 28. November 1995. Sie möchten in Deutschland bleiben. (picture alliance / ZB / Ralf Hirschberger)

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Textquelle: „Die Fabrik wird geschlossen, das Wohnheim aufgelöst“

Van Tuan Nguyen lebte und arbeitete in Uhsmannsdorf (Sachsen).
Er hoffte auf ein besseres Leben in der DDR:

„Ein langer Arbeitstag in der Glasfabrik liegt hinter Van Tuan Nguyen.
[Am] Abend des 9. November 1989 [berichtet das] Fernsehen [über] die neuen Reise-Regelungen für DDR-Bürger […].
Nguyen sitzt […] in einem Arbeiterwohnheim.
Seit etwa einem Jahr ist [er] DDR-Vertragsarbeiter […].
Mit ein paar Freunden fährt er nach Ost-Berlin.
[Er sieht] wie sich die Menschen jubelnd in die Arme fallen.
Der dunkle Herbsthimmel ist von einem Feuerwerk erleuchtet.
Dieses Feuerwerk haben die Menschen spontan gemacht.
Nguyen läuft zur Mauer am Brandenburger Tor.
[Er] bleibt 20 Schritte davor stehen.
Weitergehen wird er nicht. […]
[Er möchte nicht] seinen DDR-Gastarbeiterstatus riskieren.
Er hat Angst, dass er bestraft wird, wenn er über die Grenze […] geht […].
[Er] will [für] seine Frau und die zwei Kinder ein besseres Leben […].
„Ich fand die DDR wunderschön“, sagt er.
„In Vietnam war alles kaputt.“
Im Winter 1990 findet das gute Leben ein [plötzliches] Ende.
Die [Fabrik] schließt.
Von einem Tag auf den anderen verlieren die [Arbeiterinnen und Arbeiter], darunter 40 Vietnamesen, ihre Arbeit.
Auch ihre Wohnungen […] müssen sie verlassen.“

[Quelle: Julia Boek: Das Prinzip Fotokopie, in: ZEIT Online, 24.09.2014.]

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Textquelle: „Wiedervereinigt und arbeitslos“

Mit dem Mauerfall stieg die Arbeitslosigkeit unter ausländischen Arbeiterinnen und Arbeitern.
Kiraz G. (geboren: 1944 in der Türkei) lebt seit 1971 in Deutschland:

„Die Öffnung der DDR hat […] uns [und] unsere Kinder in die Arbeitslosigkeit getrieben […].
Als die Mauer fiel, wurden die Ausländer entlassen […].
Egal wohin wir gegangen sind, haben sie Leute aus Ost-Deutschland bevorzugt.

Sie arbeiten für 3 Mark.
Wir können nicht einmal für 5 Mark arbeiten.
Also […] sind wir gegangen,
sie haben uns entlassen.
Andere Sorgen haben wir nicht.
Das ganze Problem ist die Arbeitslosigkeit.“

[Quelle: Nevim Cil: Topographie des Außenseiters, Berlin: Verlag Hans Schiler 2007, S.154.]

Ein Stück Mauer bleibt

Mehrere Millionen Einwanderinnen und Einwanderer lebten in den Jahren 1989 und 1990 in der Bundesrepublik.
In der Bundesrepublik hießen sie Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter.
Sie hatten sich in Deutschland ein Leben aufgebaut.
Sie hatten eine Familie gegründet und Verwandte zu sich geholt.
Viele feierten die deutsche Wiedervereinigung mit.
Für einige Menschen war die Wiedervereinigung eine schlechte Erfahrung.
Aus der ersten Freude wurde oft Unsicherheit.
Die Menschen hatten Angst und machten sich Sorgen.

Die Mauer steht für die deutsche Teilung und den Kalten Krieg. Menschen schlugen Mauerteile als Erinnerung aus der Mauer. Diese Menschen heißen "Mauerspechte". Sie haben die Mauerstücke behalten oder verkauft. Foto um 1990.

Die Mauer steht für die deutsche Teilung und den Kalten Krieg. Menschen schlugen Mauerteile als Erinnerung aus der Mauer. Diese Menschen heißen „Mauerspechte“. Sie haben die Mauerstücke behalten oder verkauft. Foto um 1990. (akg-images / Lothar M. Peter)

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„Die Jahre nach dem Mauerfall“

Karabma Diabry studierte Chemie in Halle. Diese zeit war für ihn auch eine Zeit der Verunsicherung.

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„Der Mauerfall als großes Thema“

Cahit Basar und seine Familie haben viel über die Wiedervereinigung gesprochen. Er sagt: Wir müssen die Demokratie schützen und Rassismus bekämpfen.

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Zitat

„Die Mauern sind weg…
aber unsichtbare Mauern gibt es immer noch.
Blicke, Beleidigungen, [Ausgrenzung].
Über die meisten Gewalttaten [berichtet das] Fernsehen oder die Zeitung nicht […].“

[Zitat aus dem Film „Duvarlar – Mauern – Walls“ von Can Canda.]

Deutschland den Deutschen?

Nach der Wiedervereinigung mussten viele Menschen solche Sätze erleben:
„Deutschland den Deutschen“ oder „Ausländer raus“.
Rassismus, Rechtsextremismus und Gewalt hatte es in der Bundesrepublik und in der DDR auch vor 1989 schon gegeben.

Aber in den Monaten und Jahren nach der Wiedervereinigung wurde es viel schlimmer.
Viele Menschen fühlten sich allein gelassen.
Oft konnten alle den Rassismus sehen,
auch die Polizei.
Deutsche machten „Jagd auf Ausländer“.
Rechtsextremisten nannten es:
„Kampf um die Straßen“.

Menschen beleidigten und bedrohten in West-Deutschland Ausländerinnen und Ausländer.
In Ost-Deutschland wurden vor allem die ehemaligen Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter und ausländische Studentinnen und Studenten beleidigt und bedroht.
Viele wollten ihre Wohnheime nicht mehr verlassen.
Sie hatten viel Angst und trauten sich oft nur als Gruppe auf die Straße.

Im September 1991 belagerten Menschen für 5 Tage die Unterkünfte von Ausländern in Hoyerswerda (Sachsen). Sie haben die Menschen angegriffen. Sie warfen Steine, Flaschen und Brandsätze in die Fenster. Die Polizei evakuierte die Wohnheime. Neo-Nazis erklärten Hoyerswerda zur „ersten ausländerfreien Stadt“.

Im September 1991 belagerten Menschen für 5 Tage die Unterkünfte von Ausländern in Hoyerswerda (Sachsen). Sie haben die Menschen angegriffen. Sie warfen Steine, Flaschen und Brandsätze in die Fenster. Die Polizei evakuierte die Wohnheime. Neo-Nazis erklärten Hoyerswerda zur „ersten ausländerfreien Stadt“.  (picture alliance / ZB)

Rassismus

Rassismus wertet Menschen aufgrund von bestimmten angeblichen Merkmalen ab.
Die Merkmale können vielfältig sein.
Menschen erfahren unter anderem Rassismus wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihrer Sprache.

Rechtsextremismus

Rechtsextremismus ist eine politische Einstellung.
Rechtsextreme lehnen die Demokratie ab und wollen den Staat verändern.
Als rechtsextrem gelten Menschen, die eine radikale Ansicht haben und diese mit Worten und Taten vertreten.
Sie sind meistens rassistisch, antisemitisch, islamfeindlich und gewalttätig.

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Textquelle: „Die Wiedervereinigung war ein großes Thema“

Cahit Basar (geboren 1966 in Duisburg) sagt zur deutschen Wiedervereinigung:

„Die Wiedervereinigung war ein großes Thema.
Wir haben an der Uni und auch [mit] der Familie immer wieder darüber gesprochen […].
[Die] Wiedervereinigung [hat uns] sehr verunsichert.
Wir haben uns gefragt:
Wie soll es weitergehen?
Wie wird sich alles entwickeln? Wo ist unser Platz? Wo wird unser Platz sein?
Und wir sahen ja auch schon:
Übergriffe auf Flüchtlings-Unterkünfte und Ausländer.
Ausländerfeindlichkeit auf der Straße.
Das zeigte uns, dass wir unseren Platz […] ganz neu erkämpfen […] müssen.“

[Quelle: Cahit Basar, Zeitzeugen-Video „Der Mauerfall als großes Thema“]

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Textquelle: „Ausländer raus!“

Die „Berliner Zeitung“ schreibt am 22. September 1990″:

„Ahrensfelde — Endstation für die S-Bahn.
Wie […] fast überall sind auch hier Graffiti an den Wänden:
„Deutschland erwache“, „Deutschland den Deutschen“.
Achtlos gehen die meisten Passanten daran vorbei.
Aber was müssen wohl die Menschen fühlen,
an die sich diese Sprüche richten.
Die Menschen, die damit ausgegrenzt und vertrieben werden sollen? […]

„Du nach Hause gehen, nach Vietnam.“
Der Vietnamese, angesprochen von seinem Sitznachbarn in der S-Bahn, schüttelt den Kopf.
Versteht er nicht, oder will er nicht zurück?
Etwas eindringlicher wird die Aufforderung wiederholt:
„Ausländer raus!“

[Quelle: „Benutzt und fallengelassen – AusländerInnen in der DDR“ in: Berliner Zeitung, 22. 09. 1990/Jg. 46/Ausgabe 222/S.3]

Erinnerungen an die Wiedervereinigung

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